Heinz Behling

(9.10.1920 – 5.6.2003)

Heinz Behling - Selbstporträt 1990
„Verdammt ich lern´s nie!“ Selbstporträt 1990

Kein anderer Zeichner hat das Gesicht der DDR- Karikatur und des »Eulenspiegel« so geprägt, wie Heinz Behling. Er war ein Satiriker mit klarem Standpunkt, der stets die Wirklichkeit im Blick hatte.

Als waschechter Berliner schaut er von Anfang an dem Volk aufs Maul. Behlings Humor ist unmissverständlich und wirkungsvoll. Bildunterschrift und Zeichnung bilden eine untrennbare Einheit. Streitbar und beharrlich setzte er sich für die Dinge ein, die ihm wichtig erschienen. Das brachte ihm nicht nur die Wertschätzung der Kollegen ein; sondern auch die des Publikums.
Seine dialektische Herangehensweise hilft Widersprüche aufzudecken und verquere Denkweisen bloßzustellen. Seine Karikaturen sind wichtige Dokumente des DDR- Alltags.


Heinz Behling wird 1920 als einziges Kind in einer Berliner Arbeiterfamilie geboren. Nach Abschluss der Volksschule arbeitet er 1934 als Kinoreklamemaler und lernt bei T.A. Rosié, der für Filmkomödien mit Karikaturen warb. Die ersten Behling- Karikaturen entstehen für illegale Zeitschriften.
Mit 19 Jahren wird er eingezogen. Nach Weihnachten 1944 desertiert er in Richtung Osten, gerät in sowjetische Gefangenschaft und besucht eine Antifa-Schule im Lager.
1948 wird er nach Berlin entlassen und verbringt ein halbes Probejahr als Kulturfunktionär in der Landesleitung der SED. Anschließend arbeitet er im Stahlwerk Hennigsdorf, steht acht Stunden täglich an der Walze und malt nach Feierabend.

Selbstporträt Heinz Behling
Selbstbildnis um 1950, Bleistift

Nach einem Arbeitsunfall zeichnet er ein Jahr lang für die Betriebszeitung »Arbeit und Aufbau«. Befreundete Künstler empfehlen Heinz Behling mit seinen Arbeiten an die Kunsthochschule Berlin- Weißensee. Die Bekanntschaft mit Ernst Jazdzewski, der zu dieser Zeit Aktstudium lehrt, bringt Behling auf die Idee ein Pressezeichner-Seminar mit diesem zu initiieren. Er beendet das Studium mit einer Diplomarbeit, in der er sich mit Problemen der Karikatur in der DDR auseinandersetzt und der so genannten „positiven Satire“ seine klare Absage erteilt.
In Absprache mit der Hochschule und der Zeitschrift »Frischer Wind« hat der praktische Teil der Arbeit das Thema „Bilder vom Lande“. Als Mitarbeiter der Studentenzeitschrift »Forum« macht Heinz Behling erste Erfahrungen, wie unliebsame Karikaturen die Funktionäre veranlassen, eine Auflage „einzustampfen“, ein Vorgang der sich im Zusammenhang mit Behlings Arbeiten auch später beim »Eulenspiegel« wiederholt.

Titelzeichung von Heinz Behling
Frischer Wind – 1953 – Titelzeichnung – Tusche, Aquarell

Mitte des Jahres 1953 beginnt seine Tätigkeit als Zeichner beim »Frischen Wind«. Er ist maßgeblich am Übergang dieser Zeitschrift in den »Eulenspiegel« und an der Gründung des gleichnamigen Verlages beteiligt. Die Zusammenarbeit mit dem Landwirtschaftsredakteur Ulrich Speitel führt ihn aufs Dorf. Behling will selbst erleben, worüber er zeichnet, möchte teilhaben und mit verändern.

Ab 1956 lebt er in verschiedensten Orten im Umland von Berlin. Er erfindet die Typen „Pietsch und Knolle“ deren Dialoge die Entwicklung auf dem Lande kommentieren.

Typen für den Eulenspiegel von Heinz Behling
„Pietsch und Knolle“ – hier 1958 – Tusche, Deckweiß

Behling ist mit Leib und Seele Pressezeichner. Eine Arbeit sieht er dann vollendet, wenn sie massenhaft ein Publikum erreicht. Im September 1963 kommt es zu einem Zerwürfnis mit der Redaktion des »Eulenspiegel«, als diese direkt in die künstlerische Gestaltung eines Titelblattes eingreift. Behling protestiert vergeblich, zieht die Konsequenz und stellt die Arbeit für die Zeitschrift länger Zeit ein. Inzwischen fertigt er vorwiegend Fotomontagen u.a. für die »Freie Welt«.
Von 1957 – 1960 entstehen zehn Kinderbücher von Heinz Behling nach seinen Ideen und Vorschlägen. Unter ihnen Klassiker mit denen Generationen aufgewachsen sind. „Alarm im Kasperletheater“ ist der bekannteste davon. Ebenso der gleichnamige Trickfilm.

16 Jahre bleibt Heinz Behling mit seiner Familie auf dem Lande. Die zweite wichtige Phase in seinem Schaffen beginnt mit seiner Rückkehr 1972 nach Berlin und dem engeren Kontakt zur »Eulenspiegel«- Redaktion. In dieser Zeit entstehen die wichtigsten Titelblätter und unter der Rubrik „Stippvisite“ Karikaturen zu Reportagen.

Karikatur von Heinz Behling
„Sind das Arbeiter oder Statisten?“ „Laut Statistik arbeiten sie.“ „Eulenspiegel“ 1988

Behling nimmt den DDR- immanenten Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit aufs Korn. Er verwendet viel Zeit auf die Formulierung seiner Bildunterschriften. Sie gehören zu den Bildideen und deren Umsetzung. Er will verstanden werden, weiß aber gleichzeitig mit hintergründigem Humor seine Botschaften zu vermitteln.

Mitte der 80er Jahre erhält Behling ein Stipendium des Magistrates der Stadt Berlin. Es entsteht der Zyklus „Jugend“, mit der Arbeit „Bildnis eines Dialektikers“.

Plakat von Heinz Behling
Bildnis eines Dialektikers – 1984 aus dem Zyklus „Jugend“ – Tusche koloriert

Obwohl offiziell preisgekrönt, darf dieses Blatt nicht gedruckt werden, der Zeichner wird mit einem einjährigen Presseboykott bestraft. Entsprechend seiner Lebensmaxime: „Zähne zusammenbeißen und lachen“ lässt sich Behling dadurch kaum beeindrucken. Er verleiht weiter den „Eddi“, ein Gegenstück zu den offiziellen Ordensverleihungen, erhält selbst den Goethe- Preis (3. Klasse) der Stadt Berlin und den Karl- Schrader- Preis beim „Satiricum ’86“ in Greiz.

Heinz Behling ist 70 Jahre alt zum Zeitpunkt des Betritts der DDR zur Bundesrepublik. 1994 erscheint seine letzte Zeichnung im »Eulenspiegel«. Bis zu seinem Tode gestaltet er noch Flugblätter, Programmhefte und fertigt Illustrationen für eine theoretische Marxismus- Zeitschrift. Er bleibt sich und seinen Prinzipien treu.

Heinz Behling stirbt 2003 in Berlin.

© Nachdruck möglich mit freundlicher Genehmigung des Autors von „EULENSPIEGEL-Klassiker der ostdeutschen Karikatur“ – Andreas Nicolai; Wilhelm-Busch-Gesellschaft Hannover; 2008


Karikatur Heinz Behling
„… wofür ist er eigentlich gefallen?“ – 1965 – Bleistift, Tusche, Aquarell
Karikatur von Heinz Behling
„Vati, bin ich nun ein Mann?“ – 1968 – Tusche, Tempera
Karikatur Heinz Behling
„Was rauf muss wissen wir schon. Wir können bloß nicht malen.“ – 1974 – Tusche, Aquarell
Karikatur Heinz Behling
„Warum ist die Schule nicht etwas lustiger?“ – „Weil sie Euch auf den Ernst des Lebens vorbereitet.“ – 1976 -Tusche, Aquarell, Deckweiß
Karikatur von Heinz Behling
„Das fehlt eben in der modernen Selbstbedienungsgaststätte: So´n bisschen menschlicher Kontakt mit dem Personal.“ – 1978 -Tusche, Aquarell
Karikatur Heinz Behling
„Wozu braucht man so´n Ding?“ – „Keine Ahnung. Aber die Kunden sind listig; die kriegen es raus.“ – 1985 – Tusche, Tempera, Aquarell
Karikatur Heinz Behling
„Berichten Sie doch einfach über die vielen Berichte, die Sie im Berichtszeitraum erstellt haben.“ – 1986 – Tusche, Aquarell
Karikatur Heinz Behling
„Genau so´n dämlicher Weltverbesserer wie Du war ich auch mal.“ – 1986 – Tusche, Aquarell
Karikatur Heinz Behling
„Schließlich sind wir jetzt freie Arbeitnehmer und keine popligen Arbeiter mehr.“ – 1991 – Tusche, Aquarell

Andere über Heinz Behling

…[Heinz Behlings]…Blätter leben wesentlich von ihrer naturalistischen Malweise mit ihrer starken Farbigkeit. Geprägt von einer konsequenten Flächigkeit bestimmt die Vertikale den strengen Rhythmus des Bildaufbaus. Die meist bevorzugten Ganzfiguren, mit ihren in der Fläche festgeschriebenen Physiognomien, sind in eine genaue Milieuschilderung eingebettet. Da Behlings typisierte, etwas starr wirkende Bildgestalten meist in statischer Ruhe verharren und kaum zu agieren scheinen, kann der Blick ruhig über das Blatt wandern. Die Detailfreude, mit der Behling komponiert, hilft dem Betrachter sich zu orientieren und lenkt den Blick auf Zusammenhänge. […] Die Karikatur, die Behling aus dem Zusammenspiel von Kolorit, realistischen Details und der Bildfigur entwickelt, bezieht ihren Witz nicht aus der Komik der Sachen an sich, sondern dem Gleichklang aller Elemente.

Astrid Lindinger im Ausstellungskatalog
Heinz Behling. Karikaturen aus der Zeit von 1959-1989

Er kennt das Leben, weil er zeitlebens mittendrin stand, und er ist lupenreiner Berliner. Er kam unweit des Alexanderplatzes zur Welt, in der Straßburger Straße Nr. 16, und er hätte von Anfang an mehr als nur ein Ohr für den viel gepriesenen Mutterwitz. Er weiß, wie der Berliner sich ausdrückt, und erinnert sich sogar noch bestens an abenteuerlich formulierte Reklamesprüche aus den zwanziger Jahren: Womit ick meine Stiebeln wichse? / Na! Mit Urbin nur wichse ickse!
Wie genau Behling hinhört, und zwar ebenso bei anderen Dichtern, bei Hoch- und Höchstdeutsch, merkt der aufmerksame Betrachter seiner Zeichnungen ihnen und den dazugehörigen Unterschriften an. Einen Saftladen benennt er kurzerhand in „Juice-Shop“ um. Zur hochmodischen, wissenschaftsorientierten Wortakrobatik unserer Jahre steuert er das „maximalprognostische Perspektivoptimum“ bei. Ein Spaß für sich sind die unübertroffenen Behlingschen Firmenbezeichnungen: VEB Schippendehl – Kehrschaufeln aller Art, VEB Holzschuhwerk „Albert Lortzing“, Johann Sebastian Bast – Bastlerbedarf, Louis Chamotte – Ofensetzer, Kombinat Intertox, VEB Trinkoplast, Kohlen – Grus & Kleinhandel und so fort.

Ernst Röhl im Katalog zur Karigraphie´84