Barbara Henniger

9.11.1938

Selbstporträt von Barbara Henniger

Barbara Henniger behauptet sich schon Jahrzehnte in der Männerdomäne der satirischen Zeichner. 

Gern bedient sie sich der Metapher, verarbeitet sie Anregungen aus Mythologie und Märchen. Das hat sie in der DDR gelernt, um ihre hintersinnigen Karikaturen an der Zensur vorbei ins Publikum zu schmuggeln.

Barbara Henniger, die Karikaturistin mit praktisch-kritischen Verstand, begreift sich zuerst als Journalistin. Kritisch, aggressiv, unbequem, versucht sie  Zeichen zu setzen. Sie benennt Missstände und duldet keine Unverbindlichkeit. Sie denkt geradlinig und formuliert eindeutig.

Aber es gibt auch die Humorzeichnerin, die mit Witz und warmherzigen Charme Unzulänglichkeiten des Alltags in Familie, in Beruf und Gesellschaft beschreibt.


Barbara Henniger wird 1938 in Dresden geboren. Ihr Vater ist selbständiger Installateur, er und stirbt früh, die Mutter muss ihre drei Töchter allein durchbringen. Barbara Henniger wird 1944 eingeschult und erlebt im Februar 1945 die Bombenangriffe auf Dresden.

Nach ihrem Abitur, 1956, möchte sie Textilgestaltung studieren. Das gelingt nicht, sie beginnt ein Architekturstudium an der Technischen Hochschule Dresden. Nach fünf Semestern gibt sie auf, das Berufsbild des Architekten in der DDR entspricht nicht ihren Vorstellungen. 1959 startet sie als Volontärin in einer Dresdner Tageszeitung. »Sächsisches Tageblatt« ist eine Zeitung der LDPD. Sie probiert erste Karikaturen, hin und wieder entstehen Illustrationen für den Feuilleton.

Illustration zu „Der Findling“ von Heinrich von Kleist – Sächsisches Tageblatt – 1959 – Tusche
Pariser Frühling Sächsisches Tageblatt – 1960 – Tusche

Primär allerdings ist das Schreiben, sie lernt das Zeitungshandwerk von der Pike auf. Mehr als sieben Jahre ist Barbara Henniger fest angestellte Redakteurin,  berichtet über Lokales, Frauenprobleme, Kultur und Kunst in Dresden. Anfang 1967 sehen Redaktionsmitglieder des Eulenspiegel in einem Schaukasten der Zeitung Illustrationen von ihr auf der Literatur- Seite. Sie lassen anfragen, ob sie nicht Lust hätte für den Eulenspiegel (die DDR-Wochenzeitschrift für Satire und Humor) zu zeichnen.

Im gleichen Jahr erfolgt der Umzug ins nach Strausberg bei Berlin. Ihr Mann arbeitet als Lektor in einem Verlag. Ein schulpflichtiges Kind, prekäre Wohnverhältnisse fesseln sie ans Haus. 1968 wagt sie einen Neuanfang als Zeichnerin. Sie stellt ihre Arbeiten in der Eulenspiegel- Redaktion vor. Anfangs sind es Humorzeichnungen, die sporadisch gedruckt werden. 1969 erscheinen die ersten thematischen Seiten und 1971 ist sie zum ersten Mal auf dem Titel.

Sie besucht die Abendschule an der Kunsthochschule in Weißensee. Es dauert fünf Jahre bis ihre Karikaturen regelmäßig im »Eulenspiegel« veröffentlicht werden. Und es bleibt nicht nur bei Humorzeichnungen. Der Strich wird sicherer, sie wächst in die politische Satire.

Die Beschäftigung mit druckgrafischen Techniken Anfang der 80er Jahre bringt einen weiteren Zuwachs an künstlerischer Eigenständigkeit. 

Neben den Zeichnungen für den »Eulenspiegel« entstehen Buchillustrationen, Kalender und Plakate. Sie zeichnet Programmhefte und entwirft bühnenbildnerische Ausstattungen für Kabaretts. Nach der Wende beginnt sie aktuell für Tageszeitungen,für die »Neue Zeit«, den »Tagesspiegel«, die »Märkische Oderzeitung« zu zeichnen. Regelmäßige Arbeiten entstehen für ein Berliner  »Bezirksjournal«. Für die ORB- Sendung „Ungeschminkt“ entstehen Anfang der 90´er Jahre Cartoon- Bildstreifen. Seit Ende 1996 zeichnet Barbara Henniger für die Fernsehzeitschrift „tv- today“ und bis auf den heutigen Tag arbeitet sie für den »Eulenspiegel«.

o.T. – Programmheft für das Kabarett „Distel“ – 1988 – Tusche, Aquarell

Für ihre Arbeit erhält sie u.a. den Kunstpreis der DDR- 1984, den „Goldenen Hut“ in Knokke Heist/Belgien -1985, den „Goldenen Gothaer“ -1991,den „1. Preis“ beim Internationalen Cartoon Festival Langnau/Schweiz -1998, den „Silbernen Gothaer“ -1999, den „Publikumspreis“ des 1. Deutschen Karikaturenpreises -2000, den 1. Preis beim Karikaturenwettbewerb „Was ist sozial?“. Sie ist Siegerin beim „7. Deutschen Karikaturenpreis“ der Sächsischen Zeitung- 2006.

Barbara Henniger lebt und arbeitet bis heute in Straußberg bei Berlin.

© Nachdruck möglich mit freundlicher Genehmigung des Autors von „EULENSPIEGEL-Klassiker der ostdeutschen Karikatur“ – Andreas Nicolai; Wilhelm-Busch-Gesellschaft Hannover; 2008



Andere über Barbara Henniger

Barbara Henniger versteht scharfäugig zu sehen und listig zu fragen. Übrigens auch sich selbst. Sie denkt ihre Ideen und künstlerische Absichten sorgfältig zu Ende. Als verantwortungsbewusster Karikaturist , sagt sie, muss man immer prüfen, wohin der Schuss losgeht.

Gisela Blank in der Zeitschrift Bildende Kunst 1986

Barbara Henniger über sich

Die Satire lebt von der kritischen Distanz, von der Kehrseite der Medaille, und der Satiriker hat die […] Pflicht, auf negative Seiten der Entwicklung aufmerksam zu machen. Indem er den Finger auf die Wunde legt. In dem er hinweist, wo etwas zu verändern ansteht. Indem er unrichtige, unschöne, unmoralische Verhaltensweisen, die sich zu verfestigen beginnen, öffentlich macht. Darauf hoffend, dass seine Zeichnung einem Blick in den Spiegel gleicht. Aber das wird uns nicht zugestanden, es bringt uns im Gegenteil, den Vorwurf ein, unfein zu sein, Nestbeschmutzer.

Henniger im Interview der Zeitung Der Morgen vom 31.10.89

Ja doch, ich bin froh, dass ich das alles nach den vielen Jahren Status quo und der festgestemmten Zeit noch miterleben kann. Soviel Bewegung ist in die Weltentwicklung gekommen. Wie ein Puzzle ist das, alles muss sich neu zusammenfügen. Keiner weiß, ob es überhaupt etwas wird. So bewegte Zeiten sind immer gute Zeiten für Satire.

Henniger in Leipziger Volkszeitung 1992

Wird Satire gebraucht? … So viel weiß ich: Ich brauche sie. Der anstrengende, zuweilen quälende Prozess, den Lauf der Dinge zu einem dünnen schwarzen Strich zu verzwirnen, der ihnen eine neue Dimension gibt, ist ein Akt der Notwehr. Um von der Übermacht der täglichen Ereignisse, Zwänge, globalen Hiobsbotschaften nicht erschlagen zu werden, schlage ich zurück, zeichne ich an gegen Ohnmachtsanfälle und Lähmungserscheinungen. Vom Objekt des Geschehens verwandle ich mich zum Subjekt -auf dem Papier!

Henniger zum Buch Bezirksjournal 2001

Zeichner über Barbara Henniger

Bereits in den frühen 80er Jahren kultivierte dies Zeichnerin einen Cartoon- Stil, der in durchaus populärer Strichmanier ‚übersetzte‘, also metaphorische Gedankengänge, ja Gedankenblitze anbietet. Was als Notwehr gegen äußere und innere Zensur begann, erweist sich zunehmend als praktikabel in der Szene der freien Meinungsäußerung.

Harald Kretzschmar in der Zeitung Neues Deutschland vom 1993

In der Vergangenheit hat die Cartoonlobby und ihre „Stiftung Museen für Humor und Satire“ immer wieder Ausstellungen zum Schaffen der beliebten Zeichnerin organisiert, sich mit deren Lebenswerk beschäftigt und dieses dokumentiert.
Ihre Arbeiten sind in renommierten Sammlungen und Museen vertreten. Das Lebenswerk selbst befindet sich im Besitz der Künstlerin. Das Wirken der Klassikerin der ostdeutschen Karikatur entspricht ganz dem Leitbild der Sammlung und gehört zu den bewahrenswerten Schätzen des Kulturerbes auf dem Gebiet der Karikatur, dem sich unsere Stiftung widmet.