Peter Dittrich

(31.7.31 – 10.08.2009 )

Selbstporträt Peter Dittrich

Man kennt Peter Dittrich als akkuraten Zeichner bedrohlicher Kriegsmaschinerien und apokalyptischer Bilder einer vom Menschen  zerstörten Zukunft. Ungerechtigkeit, Dummheit und Gier ebenso wie die Auswüchse des Kapitalismus sind die Zielscheiben seiner satirischen Arbeiten.

Mit Liebe für skurrile Details schildert er aber nicht nur die großen Schrecken und Gefahren dieser Welt, sondern auch die alltäglichen Unzulänglichkeiten und Tücken im Leben seiner Mitmenschen. Mit seinen Karikaturen wird er zum Dokumentaristen der Nischenkultur in der DDR. Unvergessen sind seine Blätter aus der Datschen- und Schrebergartenwelt. Virtuos beherrscht er die Gestaltung von großformatigen doppelseitigen Karikaturen, so genannten „Wimmelbildern“.


Peter Dittrich wird 1931 in Teplitz– Schönau, heute tschechische Republik, als Sohn eines Lithografen geboren. Nach dem Krieg landet seine  Familie in Dresden.

1948 beginnt sein Studium an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden; es ist die Zeit intensiven Zeichnens und zahlreiche Studien in den unterschiedlichsten Techniken entstehen.

Sitzender Mann Aktstudie eines 47jährigen Kellners und Alkoholikers – Federzeichnung Dresden, 1949
Studie Elbkähne bei Zschachwitz – Rohrfederzeichnung Dresden, 1949

Er hat Aktunterricht bei Prof. Erich Fraas. Dieser lehrt ihn, den menschlichen Körper zu begreifen.

Er weiß fortan: Man soll körperliche Gebrechen, menschliches Leid nicht zum Gegenstand einer Karikatur machen. Früh wächst das Interesse Dittrichs an Pressegrafik und politischer Zeichnung. Sein Lithographie- Lehrer Otto Dix bestärkt ihn.

Studie Diskutierende Arbeiter auf einer Baustelle – Rohrfederzeichnung Berlin, 1951

1951 wechselt er an die Kunsthochschule in Berlin- Weißensee und studiert dort bis 1952. In der Viersektorenstadt Berlin weht ein freierer Wind. Hier hofft er Zugang zu solchen Blättern, wie »Ulenspiegel« oder »Athena« zu finden.

1952 erscheint die erste Dittrich- Karikatur im »Frischen Wind«. Der erste Schritt zum Eulenspiegel- Zeichner ist vollzogen.

Der letzte Transparentier – Tusche/Tempera 1956 – „Eulenspiegel“

Die 50er und 60er Jahre sind für seine künstlerische Entwicklung die entscheidendsten und bieten die interessantesten Herausforderungen. Er  zeichnet Illustrationen für den Kinderbuchverlag und andere Verlage, arbeitet wie viele bildende Künstler damals mit dem Film und dem Fernsehen zusammen und nutzt die neuen, anders gearteten Möglichkeiten dieser Medien.

Illustration zu „Das Geheimnis des Riesenhügels“ – Aquarell, Der Kinderbuchverlag, 1962
Foto von Peter Dittrich zu „Zeitgezeichnet“ – 1959

Er ist Mitarbeiter der Sendereihe „Zeitgezeichnet“, in der sich bekannte Karikaturisten des In- und Auslandes von 1957-59 gegenseitig den schwarzen Fettstift in die Hand geben, um vor den Augen des Publikums auf einer Glasscheibe das politische Zeitgeschehen zu glossieren.
Er zeichnet für das Trickfilm-Studio der DEFA und den Deutschen Fernsehfunk. „Die Anatomie des Dr. A“ oder der Zeichenfilm „Im Schneesturm“ zu Puschkins Novelle sind zwei der wichtigsten Arbeiten auf diesem Gebiet. Es entstehen Vorlagen für Produktionen in den Trickfilmstudios in Dresden und beim Deutschen Fernsehfunk.

DE-FAtalismus „Wird Zeit, dass irgendwer einen dramaturgischen oder ideologischen Fehler in dem neuen Ding entdeckt. Sonst müssen wir noch bei dem schönen Wetter mit dem Drehen anfangen.“ – Tusche/Gouache – „Eulenspiegel“ 1966
„Was doch so ein bisschen Farbe alles zum Strahlen bringt …“ – Tusche/Aquarell – „Eulenspiegel“ 1983

Die 70er Jahre sieht er als Zeit der gesellschaftlichen Stagnation an. Dennoch: Der »Eulenspiegel« fordert den Einfallsreichtum der Zeichner und zunehmend neue Ideen. Seine Arbeiten wenden sich immer mehr gegen jede Form von Kulturlosigkeit im Alltag der DDR.
Das ist die mangelnde Verkaufs- oder Gaststättenkultur, das verkitschte Kunstgewerbe, die häßliche Kunst am Bau, die verordnete Massenkultur und vieles mehr. Die Architektur der Plattensiedlungen, der gedankenlose Umgang mit Kultur- und Baudenkmalen und die lieblose Städtesanierung sind ihm ein Dorn im Auge. Er zielt auf die selbst gemachten kleinen bunten Welten der Bürger, ihre Datschen und Freizeitbeschäftigungen.

„Früher hätten wir den Pavillon glatt abgerissen! Seit auch wir geschärftes historisches Bewußtsein haben, kommt natürlich nur die behutsame Lösung in Frage …“ – Tusche/Aquarell – „Eulenspiegel“ 1984
o.T. – Tusche/Aquarell – „Eulenspiegel“ 1988
„Diese Uhr zeigt doch gar keine Zeit an!“ „Dafür aber die Exklusivität ihres Besitzers!“ – Tusche/Aquarell – „Eulenspiegel“ 1987
Datschen-Rallye „Freitag ab halb eins läuft nichts mehr, Meister, da sitzen wir in unseren Startlöchern!“ – Tusche/Aquarell, „Eulenspiegel“ 1987
o.T. – Tusche/Aquarell, „Eulenspiegel“ 1985

Seine außenpolitischen Karikaturen richten sich weiter gegen Umweltverschmutzung, Hochrüstungspolitik und Kriegstreiberei.

„Das traditionelle Abschreckungspotential verändert sich damit ja nicht, es wird nur modernisiert!“ – Tusche/Aquarell – „Eulenspiegel“ 1989

Peter Dittrich ist beteiligt an verschiedensten Ausstellungen im In- und Ausland, er erhält neben vielen anderen den 1. Preis der satirischen Zeitschrift »Jesch« in Belgrad 1986 und den „Vaterländischen Verdienstorden“ in Bronze.

Die Übergangsgesellschaft „Alles vorschriftsmäßig gewendet! Und dann locker warten, was von oben kommt: die Entlassung wegen Inkompetenz oder die Übernahme ins künftige Berufsbeamtenverhältnis!“ – Tusche/Aquarell, „Eulenspiegel“ 1990
„Nach vierzig Jahren zwangsverordneten Kollektivismus will er jetzt erst mal seine individuellen Freiräume voll auskosten!“ – Tusche/Aquarell, „Eulenspiegel“ 1991

Bis 1993 erscheinen die Karikaturen von Peter Dittrich im »Eulenspiegel« und kommentieren so auch die Veränderungen im Verlauf der Wiedervereinigung Deutschlands. Er lebt bis zu seinem Tode 2009 zurückgezogen in Petershagen bei Berlin.


Andere über Peter Dittrich

Er ist der strengste Kritiker seiner eigenen Arbeiten. Blätter, die von Redakteuren zum Druck gegeben werden sollten, bezeichnet er, überlegen lächelnd, als Ideenskizzen und steckt sie wieder ein, um sie als echte Dittrichs wiederzubringen. Echte Dittrichs, das sind Karikaturen, die bis ins kleinste Detail sorgfältig gezeichnet sind, fast pedantisch genau. Vom sogenannten genialen Schwung hält er nichts, es sei denn, beim Ideenerarbeiten. Echte Dittrichs, das sind Karikaturen, die von der satirischen Bildaussage leben und nicht illustrierendes Zubehör zu einer literarischen Unterschrift sein sollen. Daher wendet er oft das Mittel der Allegorie an, um mit dem gezeichneten Gleichnis die Objekte seines Spottes, seiner Angriffslust bloßzustellen.

Karl Kultzscher im Vorwort zu Inventur bei Peter Dittrich, 1963

Dittrich über Dittrich

Ich kam als Zwanzigjähriger 1951 zum ersten Mal in die Redaktion [vom „Frischen Wind“], konnte aber zunächst nicht Fuß fassen. Es war ein kurioser Anblick: In einem eher spartanischen Zimmer saß der 23jährige Chefredakteur Heynowski im blauen FDJ-Hemd, zwei Milchflaschen mit Strohhalm vor sich. Und nebenan in einem großen Raum mit Plüsch-Sitzgarnitur, Orientteppich, Kakteenfenster und Dackel-Körbchen residierte ein gewisser Jakob Lorey, ein jovialer, etwas korpulenter Genießertyp, Ende 50, dessen Name niemals im Heft auftauchte, der aber dennoch der entscheidende Mann für die Zeichner war. Er fungierte nämlich als „Ideenmacher“.

Während meine Blätter und die anderer Zeichner in seinem großen Schreibtisch verschwanden, entwickelte Lorey unentwegt Ideen für Zeichnungen, die er -nachdem sie von Heynowski sanktioniert waren -an Zeichner seiner Wahl vergab und am Ende der Woche jeweils 30 Prozent des Honorars kassierte. Ein einträgliches Geschäft. Allmählich aber konnte sich Walter Heynowski freischwimmen, und nach dem 17. Juni 1953, als die sowjetischen T 34 vor der Verlagstür parkten, verschwand „Mister 30 Prozent“ spurlos aus der Redaktion. Und gleich lagen Stapel von Ideen von Behling, Parschau, Wilke, Rauwolf und mir auf dem Tisch.

Peter Dittrich im Gespräch: Eulenspiegel- Sonderausgabe Band 1, 2004

Auswahl

Peter Dittrich in der Sammlung

Bereits zu Lebzeiten von Peter Dittrich hat die „Stiftung Museen für Humor und Satire“ mit der Sichtung und Dokumentation des künstlerischen Lebenswerkes begonnen. Nach dem Tod des Künstlers half sie mit sein kulturelles Erbe zu sichern. Allerdings befinden sich derzeit nur wenige Arbeiten des Zeichners im Eigentum der Sammlung.