Harri Parschau

(15.12.1923-27.7.2006)

Selbstporträt von Harri Parschau

Harri Parschau ist der am meisten gedruckte Zeichner im »Eulenspiegel« zu DDR- Zeiten. Seine humorvollen Blätter sind vielen seiner Zeitgenossen noch in guter Erinnerung.
Arbeiten von ihm sind in nahezu allen Rubriken der Satire-Zeitschrift »Eulenspiegel« anzutreffen. Er bedient die politische Karikatur, die Humorzeichnung und die Illustration bis hin zur Vignette.

Er gehört zu den Leisen im Land, große Sprüche oder gar lange Reden sind nicht seine Sache. Seine frechen Zeichnungen und witzigen Einfälle kommen deshalb auch nicht vordergründig daher. Parschau-Humor hat eine besondere Note. Alle gezeichneten Ideen stammen von ihm selbst. Seine Figuren sind einfach und gefällig – sind Menschen mit all ihren Fehlern und Macken.


Harri Parschau kommt 1923 in Berlin- Lichtenberg zur Welt und verbringt seine Kindheit, wie die meisten waschechten Berliner, in einem Hinterhof. 

Die Verwirklichung seines Kindheitstraums vom Fliegen geht er ganz zielstrebig an. Er erlernt nach der Volksschule den Beruf eines Metallflugzeugbauers, muss dann aber für drei Jahre als Soldat in den Krieg. Als dieser zu Ende ist, kommt auch das Aus für den Flugzeugbau. So arbeitet er zunächst in einer Autowerkstatt als Karosserieklempner.

Allerdings hat er auch ein ganz anderes Steckenpferd aus Jugendtagen noch nicht aufgegeben – das Zeichnen. Nach Feierabend geht er zweimal die Woche zum Zeichenunterricht in die Volkshochschule und erkennt, dass Zeichnen auch mehr sein kann als nur ein Hobby.
Er schaut sich um und findet eine neue geeignetere Wirkungsstätte, die „Kunstschmiede Kunsch“ in Berlin. Zwei Jahre, von 1947 an, lernt, entwirft und schmiedet er dort. Er besucht die Metallklasse an der Kunsthochschule Berlin- Weißensee, um als Kunstschmied weiterzukommen.

Das Plakat einer Schule für Pressezeichner aber gibt schließlich den Ausschlag für seinen Weg zum Karikaturisten. Er absolviert ein Studium an der Pressezeichnerschule Skid in Berlin- Halensee, die auch Zeichner wie Klaus Arndt, Karl- Heinz Schoenfeld und Erich Schmitt besuchen. Tagsüber arbeitet er weiter in der Kunstschmiede und schickt erste Zeichnungen an Zeitungen. Erich Schmitt ist es dann auch, der ihm die Wege in die verschiedensten Redaktionen weist.

1950 wird Parschau freischaffender Karikaturist, beginnt für die »Berliner Zeitung« zu zeichnen und arbeitet auch für das »Neue Deutschland«.  Dort kommt er das erste Mal mit politischer Karikatur in Berührung, einer seiner Arbeitskollegen ist Professor Alfred Beier- Red. Weitere Karikaturen erscheinen dann im »Sonntag« und der »Wochenpost«. Bereits Anfang 1952 bekommt er vom damaligen Chefredakteur des »Frischen Wind« ein Angebot und wird vertraglich als Zeichner für das Blatt verpflichtet. Damit beginnt seine  40jährige Tätigkeit für diese Zeitschrift und ihren Nachfolger, den »Eulenspiegel«.

„Eulenspiegel“ , 1957, Fotos der Plastiken als Vorlage für die Montagen zur Rubrik „Das Eulenspiegelbild“

Eines Tages bringt er kleine Büsten mit in die Redaktion, die sich, bei näherem Hinsehen als satirische Porträts entpuppen. Diese erscheinen ab dem 4. Oktoberheft 1956 in einer neuen Rubrik unter dem Titel „DAS EULENSPIEGELBILD“. Hier kommt der Kunstschmied in Parschau noch einmal als Plastiker zum Vorschein. Aus unterschiedlichsten Materialien formt und knetet er die Konterfeis. Mit passenden Utensilien ausgestattet werden sie abfotografiert, in einen einheitlichen Handspiegel- Rahmen montiert und teilweise übermalt. Prominente aus Politik, Sport und Kultur werden bis Ende 1957 wöchentlich karikiert. Die Rubrik „So sieht er aus!“ mit Porträtkarikaturen von Herbert Sandberg und Harald Kretzschmar löst Parschau ab.

Illustration für den „Eulenspiegel“ – 1958, Tusche/ Deckweiß
Illustration für den „Eulenspiegel“ – 1962, Schabblätter

Harri Parschau ist Zeichner aus Leidenschaft. Selbst die kleinste Aufgabe ist ihm willkommen. So fertigt er neben großzügig angelegten Titelblättern auch eine unüberschaubare Zahl an Vignetten und Illustrationen zu den verschiedensten Sparten und Geschichten im »Eulenspiegel«. Stammplatz für seine Vignetten ist die Seite „PASSIVISTEN– SPASSIVISTEN“.

Krimirätselzeichnung – „Eulenspiegel“, 1964, Tusche/ Aquarell

Mit dem Jahr 1963 startet im Heft die Reihe „KRIMI-LÖSE-EULE“, die Rätselbilder für die insgesamt 124 Folgen liefert er ebenfalls. Parschau zeichnet in den Anfangsjahren auch Comic- Strips. Nachdem bereits 1952/53 „Zacharias“ im »Frischen Wind« erscheint, gibt es Anfang 1956 die Serie „Alles erfunden!“ und ab Mai 1959  die 31teilige Serie „Taxen- Maxe“ im »Eulenspiegel«.

Sternenbanner über Hanoi – „Eulenspiegel“, 1967, Tusche/ Tempera

Anfang der siebziger Jahre betätigt sich Harri Parschau noch einmal als Kunstschmied. In Metalltreibarbeit entsteht ein großes Relief für das „Haus des Reisens“ an der Nordseite der Alexanderplatzes in Berlin. Der Entwurf dazu stammt von Walter Womacka. Parschau illustriert Kinderbücher, zeichnet Quartettspiele und für Tageszeitungen und Zeitschriften. Das erste und einzige Karikaturen- Buch von Harri Parschau erscheint 1988 im Eulenspiegel Verlag, vermutlich aus Anlass seines 65. Geburtstages.

„Ich war nie in einer Partei- parteilich war ich immer. Vor allem wenn es um das Glück der Menschen geht.“

o.T. – „Eulenspiegel“, Herbst 1989, Tusche

Als Rentner beendet er den Stress, jeden Freitag acht bis zwölf Zeichnungen in den »Eulenspiegel« zu tragen. Bis Ende 1989 erscheinen noch regelmäßig Arbeiten.

„Es stand im Betrieb so sinnlos ´rum.“ – Titelkarikatur vom Eulenspiegel, 1983, Tusche/ Aquarell

2005 zieht er endgültig von Berlin- Pankow nach Stolzenhagen im Brandenburgischen. Dort, wo er schon seit Ende der 50iger Jahre mit seiner Familie die Wochenenden und Urlaube verlebt, stirbt er im Juli 2006.

© Nachdruck möglich mit freundlicher Genehmigung des Autors von „EULENSPIEGEL-Klassiker der ostdeutschen Karikatur“ – Andreas Nicolai; Wilhelm—Busch-Gesellschaft Hannover; 2008


Harri Parschau im Gespräch

Auf die Frage: „Was hältst du vom Nutzen der Satire?“ kommt ohne Bedenkzeit die Antwort: „Eine Menge!“ – „Also du meinst, sie bessere die Leute?“ – „Sicherlich nur einen kleinen Teil, aber sie mobilisiert, sie aktiviert die von Fehlleistungen Betroffenen.“ Von Lieblingskarikaturen ist die Rede. Koch-Gotha, Trier, Loriot und Vonderwerth rangieren an der Spitze. „Was machst du am liebsten, wenn du nicht zeichnest?“ – „Darüber nachdenken, was man zeichnen könnte, dabei kann man Rasen mähen, Beete umgraben, das Auto reparieren oder Terrassen mauern.“

Karl Kultzscher im Nachwort zu Pferdefüße- Karikaturen

Auswahl

Harri Parschau in der Sammlung

Das gesamte Lebenswerk von Harri Parschau ist im Besitz der „Stiftung Museen für Humor und Satire“. Die Sammlung umfasst mehrere Tausend originalgraphische Blätter – Karikaturen, Vignetten, Illustrationen, Skizzen, Entwürfe und Vorlagen für Kinderbücher, Fotovorlagen, Dokumentationen und Archivmaterial, Bücher, Quartettspiele u.v.m.