(24.3.1932-7.8.2019)
Die Zeichnungen von Lothar Otto sind zeitlos und an keinen bestimmten Ort oder gesellschaftliche Verhältnisse gebunden.
Sein Stil ist von grafischer Klarheit, verspielter Naivität und frischer Ausstrahlung. Der ruhige, bescheidene Zeichner macht nicht viel Aufhebens von sich. Was er sagen will, sagt er durch seine Cartoons. Sie sprechen ihre eigene Sprache mit feiner Ironie, versponnenem Witz, aber auch Schwarzem Humor.
Die Arbeiten von Lothar Otto vermitteln uns ein Stück phantasievolle Alltagsphilosophie. Seine kritischen Betrachtungen zu Politik und Gesellschaft sind verallgemeinernd und treffsicher. Sie bewahren sich ihre Aktualität über den Tag hinaus und werden überall auf der Welt verstanden. Zu Recht erhalten Cartoons von Lothar Otto immer wieder Preise im In- und Ausland.
Lothar Otto wird 1932 in Chemnitz geboren. Nach dem Schulabschluss erlernt er den Beruf des technischen Zeichners. Von 1952- 1957 studiert er an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Obwohl er sich bereits in der Schulzeit für Karikaturen interessiert, ist doch erst zum Ende seines Studiums klar, dass seine weitere Entwicklung in diese Richtung geht.
Nach dem Studium arbeitet er als Angestellter bei der DEWAG, einer staatlichen Werbeagentur in Gera. Seit 1960 ist Lothar Otto als freiberuflicher Grafiker und Illustrator tätig und lebt in Leipzig.
Seine erste Eulenspiegel- Zeichnung erscheint 1961 im „Gemüsegarten“, einer Seite, die den Einsendungen von Nachwuchszeichnern vorbehalten ist. Mitte der 60er Jahre hat er sich durchgesetzt. Weitab von der Berliner Redaktion, liefert Lothar Otto kritische Humorzeichnungen, die sich nicht an den Maßgaben und Vorschlägen der Redaktion orientieren.
1971 erscheint im »Eulenspiegel« erstmals das Nilpferd „Ottilie“, ein Geschöpf, das dem Zeichner sehr am Herzen liegt. Eine eigene Geschichte mit diesem erscheint 1980 im Kinderbuchverlag und wird zu einem Bestseller. Illustrationen zu Kinderbüchern anderer Autoren folgen. Tiere spielen dabei eine wichtige und immer wiederkehrende Rolle.
Eine weitere unerschöpfliche Ideenquelle sind Wortspielereien. So heißen Bücher von ihm »Popogei und Telefant« »Ottografieh« oder »Otto´s Wortspielcasino«. Nimmt man Lokomotiven, Heuschrecken, Könige … als Lieblingsmotive mit dazu, ist man schon mitten drin in der versponnenen Welt von Lothar Otto.
Sein Motto: Ich denke, also spinn ich.
Seine Cartoons erscheinen ab 1963 in der Frauenzeitschrift »Für Dich«, ab 1966- mit Unterbrechungen- in der »Freien Welt« und ab 1967 im »Magazin«. Von 1974-1987 gibt es Zeichnungen von ihm auf der Humorseite zur Wochenendbeilage der »Leipziger Volkszeitung«.
Er zeichnet für die Zeitschrift »Elternhaus und Schule« und in den 80er Jahren für das Jugendmagazin »Neues Leben«.
In seinen über 50 Berufsjahren ist er aber auch als Grafik- Designer tätig. Er entwirft Wandgestaltungen für Kindergärten und Ausstattungen für Cafés, zeichnet Pausen- Trickfilme wie die „Beschreibung eines Tigers“ und Pausentafeln für das Fernsehen der DDR.
Otto illustriert über ein Dutzend Humorbücher für den Eulenspiegel Verlag.
Er fertigt Illustrationen zur regionalen Geschichte und zu Büchern in sächsischer Mundart. Von 1985-1990 arbeitet er mit an der Zeitschrift »Der Drache« und ist von 1990-1997 Mitglied der Redaktion.
Die Cartoons von Lothar Otto finden ihre nationale und internationale Anerkennung, bei Ausstellungen und Wettbewerben bekommt er mehr als 25 Preise, darunter dreimal bei der Biennale im Greizer Satiricum 1978/80/82 (zwei erste Preise und den Preis der Zeitschrift Eulenspiegel), zwei dritte Preise und den Preis der Satirezeitschrift in Gabrowo/ Bulgarien 1973/81 und 1975. Die Silbermedaille 1979 in Arcona/ Italien, 1980 den „Goldenen Hut“ in Knocke Heist / Belgien, 1992 der Spezialpreis in Skopje/ Jugoslawien , 1996 der Publikumspreis der „Karikatura“/ Rostock, 1998 die Silbermedaille in Legnice/Polen und 2007 der 3. Preis beim Stuttgart Cartoon Award seien hier noch genannt.
Bis zuletzt veröffentlicht er regelmäßig im »Eulenspiegel« und in der Schweizer Satirezeitschrift »Nebelspalter«. Im August 2019 verstirbt Lothar Otto und wird in Leipzig beigesetzt, der Stadt in der er bis zu seinem Tode gelebt und gearbeitet hat.
© Nachdruck möglich mit freundlicher Genehmigung des Autors von „EULENSPIEGEL-Klassiker der ostdeutschen Karikatur“ – Andreas Nicolai; Wilhelm-Busch-Gesellschaft Hannover; 2008
Lothar Otto über sich
Was soll’s? Das ist das Schlimme an diesem Beruf: Cartoonisten müssen ein Leben lang tun, was sie wollen.
Otto in Inventur bei Lothar Otto 2003
Natürlich hatte der alte Saul Steinberg recht, als er behauptete: „Zeichnen ist eine Möglichkeit, auf dem Papier zu denken.“ Nur – wer setzt meinen Denkapparat erst mal in Gang? Es beginnt mit der Angst vor dem jungfräulichen Papier. Ich stelle mir also komische Situationen vor, beispielsweise eine Giraffe auf einer Eisscholle. Lächerlich, die Wirklichkeit ist ein einziges Event. Gleichzeitig frage ich mich: „Was soll’s? Wem nützt das?“
Ich quäle mich, verfalle kurzzeitig in Resignation. Ich möchte auf der Psychocouch liegen. „Herr Wolf- hier bin ich: Otto-Normalversager!“
Hinzu kommt – Cartoons entstehen in völliger Abgeschiedenheit; keiner lacht hinter mir, keiner amüsiert sich.
Weitere Argumente: Cartoons gehören nicht zur Hochkunst; es sind bestenfalls grafische Wegwerfwindeln. Gibt es U- und E- Kunst und wenn es E- Kunst ist, darf ich dann darüber lachen? Wie viele Künstler sind erfolgreich ohne Hirn. Dann der Seiltanz unter der Überschrift: Weniger ist mehr! War es schon zu viel oder noch zu wenig. Die Welt ist voller Übertreibungen.
Und dann: Die Zeichnung muss innovativ sein. Habe ich Schritt gehalten mit dem Trend, schnoddrig zu zeichnen. Ich werde wohl nie Bester im Schlecht-Zeichnen. Wie macht man das? Hilft Rotwein oder muss ich Tusche trinken?!
Endlich ist sie da: Die geistvolle Pointe! In Erwartung des Honorars von 53,50 € geht es hurtig ans Werk, sofern mir das Papier gehorcht.
Nach einigen Wochen erhalte ich sie kommentarlos zurück. Mein Optimissmut steigt.
Andere über Lothar Otto
Meist genügen Otto ein einzelner Gegenstand, eine oder zwei Figuren zur Darstellung seines Themas. Manchmal gibt es Sprechblasen oder Bildtitel, oft fehlt auch das – so oder so: Immer erfasst der Betrachter in Blitzesschnelle, was gemeint ist. Der Grund: Otto ist ein langsamer, sehr gründlicher Arbeiter. Er analysiert zunächst genau, was Zeichnung werden soll, verdichtet geistig die Bildpointe bis ins letzte, ehe die Striche aufs Papier geraten. Auf einem Cartoon […] trinken zwei Männer Brüderschaft: Der behäbige, gierig grinsende Klotz steht fest auf dem Boden, im verschränkten Arm zappelt der dünne andere – über einem Abgrund. Zeitgeist auf wenigen Quadratzentimetern.
Bernd Locker, Leipziger Volkszeitung, 27.06.1997, S.17
AUSWAHL
Lothar Otto in der Sammlung
Der künstlerische Nachlass von Lothar Otto ging nach seinem Tode, wie schon zu Lebzeiten verfügt, Ende 2019 in das Eigentum der „Stiftung Museen für Humor und Satire“ über.
Es umfasst das gesamte verbliebene Lebenswerk von mehreren Tausend Zeichnungen, Cartoons, Illustrationen, Lithographien, Dokumenten und Archivmaterial.