Manfred Bofinger

(5.10.1941 – 8.1.2006)

Manfred Bofinger Selbstportrait 1992
Manfred Bofinger Selbstportrait 1992

Manfred Bofinger war ein satirischer Weltverbesserer der freundlichen und intelligenten Art. Man kannte ihn als unkomplizierten Menschen, der immer sehr offen und neugierig auf andere war. Seine Karikaturen und Illustrationen strahlen Optimismus aus. „Bofi“, wie ihn jeder nennt glaubte daran, dass die Welt durch Lachen zu verändern sei. Ehrlichkeit verlangte er von sich wie von anderen.

Mit einfachen Mitteln auf möglichst viele Menschen einwirken und sie in seinem Sinne mit zum Nachdenken anregen war sein Anliegen. Mit einem Augenzwinkern übte er Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen.

Manfred Bofinger gehörte bereits in der DDR zu den bekanntesten und beliebtesten Zeichnern. Er ging auf sein Publikum zu, fand viele Freunde unter Erwachsenen wie Kindern. Für sie war er in unzähligen Veranstaltungen da, für sie schrieb er seine Erinnerungen auf, für sie und mit ihnen zeichnete er.


Manfred Bofinger erblickt 1941 in Berlin-Mitte das Licht der Welt. Er wird in einem einfachen aber musischen Haushalt groß. Sein Vater ist Plakatmaler, der in seiner Freizeit als lyrischer Tenor auftritt. In seiner Schulzeit entstehen bereits erste Holzschnitte, kleine Monotypien sowie Kreidezeichnungen und er kann sich vorstellen, Archäologie zu studieren. 1959 macht Bofinger sein Abitur am „Grauen Kloster“, dem ältesten Berliner Gymnasium mit humanistischer Fachrichtung. Seine Berufsvorstellungen gehen in die Kunstrichtung und ein Bekannter des Vaters rät ihm zunächst zu einer zweijährigen Schriftsetzerlehre. Nach Abschluss der Lehre fängt er 1961 als Typograf bei der Zeitschrift »Eulenspiegel« an.
Durch die Bekanntschaft mit den Zeichnern und ihren Arbeiten beschäftigt er sich erstmalig intensiver mit der Karikatur und fängt wieder an zu zeichnen.

Der Zeichner Karl Schrader ermuntert ihn immer wieder etwas für den »Eulenspiegel« zu machen. Bofinger betreut damals die Literaturseite im Heft und fertigt für diese Vignetten an.

Mitte der 60er Jahre erscheinen erste Fotocollagen und Humorzeichnungen im »Eulenspiegel«. 1968 hat er bereits so viele Aufträge für Buchgestaltungen, dass er beschließt freiberuflich tätig zu sein. Manfred Bofinger zeichnet auch weiterhin für den »Eulenspiegel« und 1969 druckt dieser auch die erste Titelzeichnung von ihm.
Begeistert er sich schon als Oberschüler für den Expressionismus, kommen zu jener Zeit nun Op-art, Pop-art und Beatles-art als prägende Kunstrichtungen für Bofinger hinzu. Es entstehen Plakate von ihm, die sehr linear und farbig sind.

Eine gute Voraussetzung für die Illustrationen zu seinem ersten Kinderbuch, das ihm 1972 angeboten wird. Als »Der kleine Zauberer und die große 5« zum Text von Uwe Kant 1974 erscheint, wird es auch gleich als „Schönstes Buch“ ausgezeichnet.

Illustrationen zu „Apfelmus im Zauberhut“ – Der Kinderbuchverlag, 1985
Illustrationen zu „Apfelmus im Zauberhut“ – Der Kinderbuchverlag, 1985

Danach lässt ihn die Bilderwelt für Kinder nicht mehr los, zumal er selbst bereits drei Kinder hat. Die Zusammenarbeit zwischen Erich Kästner und Walther Trier sieht er als beispielhaft an und Ringelnatz ist für ihn eine Offenbarung.  Parallel dazu setzt sich der klare, pointierte Stil ebenfalls in seinen Karikaturen durch.

Dickhäuter unter sich aus „Schwarze Ärmel – weiße Westen“ – Eulenspiegel Verlag 1978
Dickhäuter unter sich aus „Schwarze Ärmel – weiße Westen“ – Eulenspiegel Verlag 1978

Auch thematisch spielen in seinen Zeichnungen die Gegensätze zwischen Kindern, Eltern und Schule eine große Rolle. Er macht mit Humor auf diese aufmerksam. Er moralisiert und belehrt nicht. Der Berliner Bofinger zeigt in seinen Karikaturen die Welt in all ihrer Kuriosität und stellt die Wichtigtuer, die Besserwisser, die Bornierten in ihrer Lächerlichkeit bloß. Beleidigend wird er dabei nie und es gibt immer eine Hoffnung auf Besserung. 1978 bringt der »Eulenspiegel Verlag« das erste Karikaturen- Buch von ihm heraus.

„Halt!“ aus „Schwarze Ärmel – weiße Westen“ – Eulenspiegel Verlag 1978
„Halt!“ aus „Schwarze Ärmel – weiße Westen“ – Eulenspiegel Verlag 1978

Neben seiner Arbeit als Karikaturist ist Bofinger vor allem Graphiker. Illustrationsaufträge, Plakatentwürfe und die Arbeit für Kinderbücher, auch zu eigenen Texten, werden immer mehr zum Hauptgebiet seiner Tätigkeit. Ein weiterer Grund dafür ist, dass es ihm beim »Eulenspiegel« zu uninteressant wird. Er ist etwas anspruchsvoller, was Ereignisbetrachtungen betrifft und die begrenzten, sich immer wiederholenden Themen wie mangelnde Qualität, unbefriedigende Ersatzteilsituation und die Problematik von Elternhaus und Schule haben sich für ihn irgendwann erschöpft.

Entwurf zum Plakatmotiv für die Ausstellung „Ökonokomik“, 1975
Entwurf zum Plakatmotiv für die Ausstellung „Ökonokomik“, 1975

Die Arbeit für den Bereich Kinderbuch ist für ihn besonders reizvoll, weil sie seiner Ansicht nach weitestgehend enttabuisiert ist und es interessante öffentliche Diskussionen zum Thema Kindererziehung gibt. So zeichnet er ebenfalls gern für Kinderzeitschriften wie regelmäßig für die »Frösi«.

Die Zeit der politischen Wende in der DDR bis Ende 1992 bietet noch einmal Stoff für politische Karikaturen im wirklichen Sinne und diese erscheinen auch im »Eulenspiegel«.

Karikatur 1993
Karikatur 1993

Bofinger ist einer der wenigen Karikaturisten für den die Wende zwar ein markantes, jedoch kein existenzbedrohendes Ereignis ist. Sein Bekanntheitsgrad, die Arbeit für so viele unterschiedliche Verlage und eine rege Ausstellungstätigkeit helfen ihm bei der Fortführung seiner Arbeit. Bofinger gewinnt auch neue Freunde wie den Kollegen F.W. Bernstein aus dem Westen, mit dem er über Jahre einen „graphischen Briefwechsel“ unterhält und aus dem gemeinsame Cartoonbücher und Ausstellungen hervorgehen.

Bofingers kaum noch überschaubares Oeuvre umfasst weit über 300 illustrierte Bücher, Bastelbögen, Kalender, Postkartenbücher, Programmhefte, Spielkarten und Plakate. Er schreibt Texte zu eigenen Kinderbüchern und autobiographische Erinnerungen, die zu Bestsellern werden. Von 1969- 1993 erhält er für seine Arbeit mehrfach die Anerkennung „Schönstes Buch“ und „Schönstes Plakat“.

Karikatur 1980

Ausgezeichnet wird er mit dem „Kunstpreis der DDR“ 1981, dem „Goethepreis der Stadt Berlin“ 1987, dem „Hans- Baltzer Preis“ 1989. Zweimal werden Bücher von ihm „Buch des Monats“ 1991 und 1994. Er erhält den „Schnabelsteherpreis für das frechste Buch des Jahres 1995“, „Rahel- Varnhagen-von-Ense- Medaille“ 2002 und „Zehn besondere Bücher zum Andersentag“ 2006.

Nach einem Schlaganfall und einjährigem Wachkoma stirbt Manfred Bofinger viel zu früh im Januar 2006.

© Nachdruck möglich mit freundlicher Genehmigung des Autors von „EULENSPIEGEL-Klassiker der ostdeutschen Karikatur“ – Andreas Nicolai; Wilhelm—Busch-Gesellschaft Hannover; 2008


Bofinger und andere über Bofinger

Ich versuche mit sehr einfachen Mitteln die Dinge auch einfach darzustellen, die auf möglichst viele Leute, jung und alt, wirken; und versuche nichts zu verkomplizieren oder zu intellektualisieren, sondern versuche hinter dieser Einfachheit etwas zu verstecken, aber doch so, dass man´s findet und nicht fragt: „Was wollen Sie damit sagen?“

Die Karikatur ist bei uns kein Zeitzeichen mehr. Sobald sich jemand kritisch äußert, auch in unserer Branche, heißt es, wir seien Nörgler, die mit progressivem Denken nichts im Sinne haben- als wenn Satiriker und Karikaturisten jemals dafür da waren, etwas Positives nochmal zu loben. Wir müssen verflucht nochmal, den Dingen auf den Grund gehen, im marxistisch- philosophischen Sinn, und müssen es so machen, dass es möglichst viele Leute begreifen. Karikaturen sollen in einer sozialistischen Gesellschaft allen helfen, den „hohen Genossen“ wie dem „einfachen Bürger“, der in einem Betrieb arbeitet, in dem etwas nicht klappt.

Bofinger im Journal zur Karigrafie´90– Redaktionsschluss September 89

Zuwider sind Bofi Gleichförmigkeit, Uniformiertheit und Dummheit, weil seiner Meinung nach hinter jeder Dummheit Intoleranz anderen gegenüber steckt. Mit dem Imperativ „Du musst!“ kann er nichts anfangen. Er sucht und braucht logische Begründungen. Eitelkeiten erwecken in ihm kaltes Grausen, weil Eitelkeit zur Lüge verführt. Von denen, die Verantwortung zu tragen haben, verlangt er, dass sie nicht mit Machtfülle regieren, sondern den gesunden Menschenverstand einsetzen. Auch wenn Bofi barsch mit dieser Spezies Mensch umgeht, sein Stil eckiger und kantiger wird, bewahrt er sich seine Liebe und seine Freundlichkeit zu den Mitmenschen.

Horst Roatsch in Das dicke Bofinger Buch 1995

AUSWAHL

Manfred Bofinger in der Sammlung

Arbeiten von Manfred Bofinger stehen der Sammlung der „Stiftung Museen für Humor und Satire“ in großem Umfang als Dauerleihgabe zur Verfügung.
In der Vergangenheit gab es immer wieder Ausstellungsprojekte an unterschiedlichsten musealen Orten aus diesem bedeutenden Bestand. Neben Karikaturen aus allen Schaffensphasen gehören dazu: Illustrationen, Plakate, Skizzenbücher, Teile des bildnerischen Briefwechsels mit F.W. Bernstein und viele Buchpublikationen von Manfred Bofinger.